Die prekäre Lage gewerblicher Pflegekräfte

Gewerbliche Pflegerinnen und Pfleger kommen in unserem Land in vier Bereichen zum Einsatz:

  •  … in den Krankenhäusern
  •  … in der mobilen Hauspflege
  •  … in der 24-Stunden-Betreuung
  •  … in den Pflegeheimen

Laut Pflegepersonalbedarfsprognose des Sozialministeriums aus dem Jahr 2019 waren 127.000 Personen in Krankenhäusern sowie in Pflegeheimen als Pflegerinnen und Pfleger beschäftigt.

Um aber den steigenden Bedarf zu decken, wären 75.000 Arbeitskräfte zusätzlich zu qualifizieren. Derzeit schließen aber jährlich nur zwischen 6.000 und 10.000 Personen eine Pflegeausbildung ab.

D. h. das Kernproblem in der Altenpflege ist nicht deren Finanzierung, sondern vielmehr die zu geringe Attraktivität von Pflegeberufen.

Eine gewisse Entlastung der schwierigen Lage auf dem Pflegemarkt bietet der massive Einsatz ausländischer Pflegekräfte in der 24 –Stunden –  Betreuung. Immerhin handelt es sich um die stolze Zahl von ungefähr 60.000 ausländischen Arbeitskräften. Mehr dazu ist dem Artikel „B5-2 Das harte Los der ausländischen 24-Stunden-Betreuerinnen“ zu entnehmen.

Besonders prekär ist die Lage in den Pflegeheimen. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die harte und aufopferungsreiche Arbeit finanziell nicht abgegolten wird.

So kann eine Pflegekraft in einem Pflegeheim mit monatlich € 2.000,– brutto rechnen. Und nach 35 Berufsjahren mit nicht mehr als € 2.600,– brutto.

In Sonntagsreden der Politiker wird immer wieder beschworen, dass Menschen im Alter nicht alleine gelassen werden dürfen.

Dies gilt vor allem für die Pflegeheime, wo die Menschen oft nur ihrem Tod entgegen dämmern, da es vielfach an qualifiziertem Personal (eigentlich an Pflegekräften überhaupt) mangelt. 

Was aber Not tut, das sind bessere Arbeitsbedingungen, die zu schaffen, es gilt sowie die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu erhöhen. Letzteres könnte durch eine Erhöhung der Gehälter bewirkt werden.

Eine weitere, durchaus gerechtfertigte Forderung bildet die Aufstockung des Personals in den Pflegeheimen. Dies wird aber durch die jeweils gültigen Personalschlüssel in den einzelnen Bundesländern verhindert.

Die 5-Sterne-für-Österreich fordern daher nicht nur einen bundeseinheitlichen Personalschlüssel, sondern eben auch eine Aufstockung des Personals in den Pflegeheimen unseres Landes.

In einem Bericht des Rechnungshofes „Pflege in Österreich“ aus dem Jahr 2020 wurde ein Musterheim von 71 Betten definiert und der Personalstand für Pflege und Betreuung nach den Personalschlüssel in den jeweiligen Bundesländern berechnet.

Das Ergebnis war ernüchternd: Während im Burgenland nur 22 Pflegekräfte für die Betreuung und Pflege in diesem Musterheim notwendig waren, waren es in Wien ungefähr 46 Pflegekräfte – etwas mehr als doppelt so viele. Auch beim diplomierten Personal sind gravierende Unterschiede feststellbar: ungefähr sechs in Kärnten, aber vierzehn in Vorarlberg.

Mit den einzelnen Personalschlüsseln wird letztlich nur die Papierform der für die Pflegeheime festgesetzten Personalstände ausgewiesen.

Damit ist aber noch nichts über die Krankenstände, die Fluktuationen des Personals sowie einer dauernden Unterschreitung des festgesetzten Personalstandes, die weder ausreichend kontrolliert noch sanktioniert wird, gesagt.

Es ist aber die reale Personal-Ausstattung eines Pflegeheimes, was letztlich zählt.   

  Mindestpersonalausstattung in einem Musterheim mit 71 Betten        und einer durchschnittlichen Pflegestufe von 4,7 (2018) Erstellt vom Rechnungshof –
 diplomiertes PersonalPflegeas-sistenz-berufe 1)Hilfsperso-nal bzw. HeimhilfePersonal insgesamt
umgerechnet in Vollzeitarbeitsplätze
Burgenland10,910,9 21,9
Kärnten 2)5,920,73,030,1
Niederösterreich11,117.65,734,4
Oberösterreich 3)6,723,33,333,3
Salzburg 4)(9,7)(25,3)(4,0)(39,0)
Steiermark6,419,36,432,2
Tirol 5)(4,6)(17,1)(11,1)32,7
Vorarlberg 6)13,7518,03,135,4
Wien13,722,89,145,7
  1. Pflegehelferinnen und –helfer, Pflege(fach)assistenz, Diplom- oder Fachsozialbetreuerinnen und –betreuer
  2. Davon 0,5 Vollzeitäquivalente für Animation
  3. Ab 2019 gilt, dass diplomiertes Personal und Pflegefachassistenz gemeinsam 25 % bis 30 % ausmachen sollen, wovon mindestens 15 % diplomiertes Personal sein sollte.
  4. Der Personalschlüssel war ein interner Richtwert und wurde nach Angaben des Landes tatsächlich im Schritt um rund 7 % unterschritten.
  5. Die Verteilung der Qualifikationsgruppen war nur im Bedarfs – und Entwicklungsplan 1996 festgelegt und hatte lediglich Empfehlungscharakter. Im Pilotprojekt wären 2018 42 Vollzeitäquivalente vorgesehen, davon 9,7 diplomiertes Pflegepersonal, 27,3 Pflegeassistenten und fünf Heimhilfe.
  6. Der RH ging davon aus, dass die in Vorarlberg verwendete Pflegestufe der um eins erhöhten entsprechenden Pflegegeldstufe entsprach. Im Gesamtwert sind des Weiteren 0,57 Vollzeitäquivalente für Fortbildung enthalten.

Die Rechtsplattform „Investigate Europe“ hat 2021 die Problematik privater Pflegeheime in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen gerückt.

In Österreich gibt es ungefähr 900 Alten- und Pflegeheime mit ungefähr 78.000 Betreuungsplätzen. Rund 400 davon befinden sich in der öffentlichen Hand. Der Rest wird privat geführt. Ihre Träger sind vornehmlich gemeinnützige Organisationen.

Aber auch Vermögensverwalter (Equity Funds) tummeln sich auf diesem, für sie lukrativen Markt mit Nettorenditen bis zu acht Prozent.

Eine so hohe Nettorendite ist aber nur durch eine Ausdünnung des Personalstandes, einem Herunterschrauben der Gehälter für die Pflegerinnen und Pfleger sowie durch steuerliche Tricks – und zwar durch ein Verschieben der Gewinne in Steuerparadise –  zu erreichen.

Es verwundert daher nicht, dass in den privaten Pflegeheimen zumeist jegliche Personalvertretung und gewerkschaftliche Aktivität hintertrieben wird.

Die öffentliche Hand ist aber mit den Qualitätskontrollen völlig überfordert, zumal die Schließung eines Pflegeheimes oft nicht möglich ist, weil es dafür keinen Ersatz gibt.

Die burgenländische Regierung hat jedenfalls verfügt, dass ab 2024 Pflegeheime nur mehr von gemeinnützigen Vereinen betrieben werden dürfen.

Pflegeleistungen sind ein unverrückbarer Teil des Sozialstaates und dürfen nicht dem privaten Markt überantwortet werden.

Gewerkschaftliche Forderungen bezüglich der Verbesserung der Arbeitswelt für Pflegekräfte:

  • Aufstockung des Personals;
  • Qualifizierung der Arbeitskräfte;
  • Verkürzung der Arbeitswelt auf 35 Stunden;
  • Mehr Transparenz der Dienstpläne, die mehr Planbarkeit mit sich bringt;
  • Früherer Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche.

Die Attraktivität der Pflegeberufe kann durch zwei Maßnahmen gesteigert werden:

  • Erhöhung der Einstiegsgehälter sowie eine deutliche Steigerung dieser im Laufe des Erwerbslebens einer Pflegekraft;
  • Der Umstieg in eine Pflegeausbildung soll durch monatliche Zuschüsse („Ausbildungsgehälter“)  für Auszubildende wie bei Polizeischülern erleichtert werden.

Die Finanzierung der Altenpflege könnte zusätzlich zu den bisherigen Instrumenten durch Zweckbindungen der noch einzuführenden Vermögens- und Erbschaftssteuer sowie der Tabaksteuer abgesichert werden.

Verwendete Literatur:

Marterbauer Markus, Schürz Martin: Angst und Angstmacherei, Für eine Wirtschaftspolitik, die Hoffnung macht, Zsolnay Verlag, Wien, 2022.

Rechnungshof Österreich: Pflege in Österreich, Bericht des Rechnungshofes, Wien, 2020.

 Schumann Harald, Schmidt Nico, Tagesspiegel: Das Milliardengeschäft Altenpflege, Heime als Gewinnmaschinen für Konzerne und Investoren, 2021.

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