Angehörigenpflege in Schweden

Die Feststellung, ob überhaupt und welcher Pflegebedarf vorliegt, erfolgt durch die Gemeinden auf der Basis einer reinen Bedarfsprüfung und orientiert sich an seinem absolut universellen Anspruch, der in unseren Ohren befremdlich klingen mag, dass letztlich öffentliche Stellen bestimmen, wie und wo  vor allem ein „Altern in Würde“ zu erfolgen hat.

Dieser absolute Entscheidungsanspruch schwedischer Behörden wird in der schwarzen Komödie „Ein Mann namens Ove“, die auf dem gleichnamigen Roman von Frederik Backmann basiert, in berührender Weise sichtbar gemacht.

Owe ist Witwer und bereits in Pension. Er lebt in einer Einfamilienhaussiedlung, wo er peinlichst darauf achtet, dass die zahlreichen Verbote eingehalten werden.

Er ist todunglücklich und versucht mehrmals sich umzubringen. Und er lebt in einem seit Jahrzehnten andauernden erbitterten Streit mit seinem Nachbarn Rune. Es besteht nämlich eine Rivalität bezüglich schwedischer Automarken, welche die beiden jeweils fuhren: Volvo und Saab.

Als dieser Nachbar auf behördlichen Beschluss in ein privates Pflegeheim, dessen Auslastung als zu gering angesehen wurde, gebracht werden soll, beginnt Ove seinen Kampf mit den Behörden. Schließlich können er, die Nachbarn und die örtliche Zeitung verhindern, dass Rune zwangsweise in das Pflegeheim verbracht wird.

Das schwedische Pflegesystem gilt, gemessen am Anteil der Pflegeausgaben (BIP), als eines der umfangreichsten im OECD-Vergleich und liegt hinter den Niederlanden an zweiter Stelle. Konkret lag das Ausgabenniveau im Jahr 2015 bei 3,2 Prozent des BIP. Für Österreich wurden in diesem Jahr 1,9 Prozent ausgewiesen.

Die Mittelaufbringung für die öffentlich finanzierten Pflegeleistungen erfolgt primär durch Steuern. Ganz konkret: 90 Prozent entfallen auf lokale und fünf Prozent auf nationale Steuern. Währenddessen die restlichen fünf Prozent durch private Haushalte finanziert werden. Die Sozialversicherung als solche spielt bei der Mittelauf-bringung keine Rolle, da die Pflegeleistungen ausschließlich durch Steuern und – in einem bescheidenen Ausmaß – durch private Zuzahlungen finanziert werden.

Die privaten Zuzahlungen für die Pflegedienste orientieren sich am Einkommen der Pflegebedürftigen und werden direkt an die Gemeinden gezahlt. Sie sind mit 200,– Euro monatlich begrenzt. Selbstbeteiligungen müssen sowohl im ambulanten als auch im (teil-)stationären Bereich geleistet werden. In Pflegeheimen wird für Unterkunft und Verpflegung separat bezahlt.  

Den Kommunen obliegen – wie in anderen Ländern auch – Organisation, Koordination und Abwicklung der Altenpflege. Dabei besitzen die Gemeinden nicht nur die Autonomie über ihre Budgets, sondern auch über die Festsetzung des lokalen Einkommensteuersatzes. Damit gleichwertige Leistungen für alle Bürger erbracht werden können, unabhängig vom lokalen Einkommensniveau, springt der Staat in Form eines Finanzausgleiches ein.

2022 zählte Schweden 10,6 Millionen Einwohner. Davon waren 20,2 Prozent 65 Jahre alt oder älter.

Die Unterstützung alter Menschen durch die Familie ist sehr ausgeprägt. Sie liegt älteren Erhebungen zufolge zwischen 70 und 80 Prozent.

Demenzkranke leben in Schweden genauso häufig zu Hause wie in Altenpflegeeinrichtungen. Nur wenn die Demenz sehr weit fortgeschritten ist, dann erst kommt eine Pflegeanstalt in Frage. Allerdings entscheiden dann die Behörden darüber.

Es gibt ein breites Angebot an Unterstützungen für die pflegenden Angehörigen. In eigenen Tageskliniken werden die pflegenden Angehörigen entlastet. Dort können dann die Alten gemeinsam Kochen, Backen, Musik hören oder sich einfach unterhalten. Auch betreutes Wohnen erfreut sich großer Beliebtheit.

Im schwedischen Pflegesystem zeichnen sich zwei Entwicklungen ab:

Zum einen kam es in den letzten Jahren zu einem Rückgang der öffentlich finanzierten ambulanten Pflege, der universelle Anspruch des Staates ist immer schwerer finanzierbar, Folglich nimmt die informelle Pflege einen immer größeren Stellenwert ein. Bereits im Jahr 2025 werden – so Schätzungen – zu wenig finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um den gewohnten Standard aufrecht zu erhalten. Was folglich zu höheren Steuerbelastungen oder zu höheren Selbstbehalten führen wird.  

Zum anderen wurde der Markt für private Pflegefirmen geöffnet, was zu einer Dualisierung im Pflegebereich mit all den Gefahren einer Leistungsverminderung für die zu Pflegenden führen kann.   

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