Statistische Merkmale pflegender Angehöriger, Verhältnis zur gepflegten Person, Motive für die Übernahme einer Pflege, Arrangements bei der Pflege zu Hause, Belastung durch die Pflege und Gründe für eine Pflegebedürftigkeit.
Die nun folgenden Ausführungen zur Angehörigenpflege basieren auf den Ergebnissen einer deskriptiv-quantitativen Studie mit Selbstausfüllbogen aus den Jahren 2017/18.
Es wurden 11.487 Fragebögen an Pflegegeldbezieher aller sieben Pflegestufen versandt. Insgesamt konnten nach Datenerhebung und –bereinigung 3.246 Fragebögen in die Auswertung einbezogen werden. Die Rücklaufquote lag etwas unter 30 Prozent. Diese entspricht damit völlig dem internationalen Standard.
Die Fragebögen wurden an die Pflegegeldbezieher mit der Bitte versandt, sie an jene Personen weiterzugeben, die mit der Pflege befasst sind.
Wenn sich auch mehrere tausend Pflegegeldbezieher an dieser Befragung beteiligten, so ist sie keineswegs als repräsentativ anzusehen.
Erfahrungsgemäß haben sich vor allem die Engagierten und Aufopferungswilligen an der Befragung beteiligt. Nicht aber die weniger Desinteressierten und Gleichgültigen.
Bei Befragungen dieser Art ist auch der hohe Anteil an sozial erwünschten Antworten zu berücksichtigen. Denn wer will schon eingestehen, dass man eigentlich die alte, pflegebedürftige und demente Mutter „hasst“, weil man mit der Pflege völlig überfordert ist. Dies gilt es daher bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen!
Für Planung, Durchführung und Auswertung zeichneten die zwei Institute der Universität Wien – das Institut für Pflegewirtschaft und das Institut für Soziologie – verantwortlich.
M. Nagl-Cupal, F. Kolland , U. Zartler, H. Bittner et al. sowie Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit … (Hg.): Angehörigenpflege in Österreich. Einsicht in die Situation pflegender Angehöriger und in die Entwicklung informeller Pflegenetzwerke, Universität Wien, 2018. In Folge Angehörigenstudie 2018 genannt.
A. Merkmale der pflegenden Angehörigen
Drei von vier pflegenden Angehörigen (73 Prozent) sind weiblich. Im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2005 lag der Frauenanteil noch bei 79 Prozent. Daraus kann geschlossen werden, dass sich inzwischen die Männer in die Angehörigenpflege stärker einbringen.
Die am stärksten vertretene Altersgruppe unter den pflegenden Angehörigen ist jene zwischen 51 und 60 Jahren – und zwar mit 29 Prozent. Jeweils ein Viertel der pflegenden Angehörigen entfallen auf die beiden Altersgruppen 61 bis 70 Jahren bzw. über 70 Jahre.
Fast jede/r dritte pflegende Angehörige (31 Prozent) ist noch erwerbstätig. Von den pflegenden Angehörigen, die noch erwerbstätig sind, hat ungefähr jede/r Vierte ihre/seine Erwerbstätigkeit aufgegeben bzw. eingeschränkt.
B. Das Verhältnis zur gepflegten Person
Ungefähr zu gleichen Anteilen sind Kinder bzw. Partner als pflegende Angehörige auszumachen – und zwar jeweils zu 35 Prozent. Darauf folgen noch die Eltern bei der Behindertenpflege mit zwölf Prozent. Alle anderen Betreuungsformen Geschwister, Verschwägerte, sonstige Verwandte und auch Freunde rangieren unter fünf Prozent.
C. Arrangements bei der Pflege zu Hause
Zwei Arten von Arrangements decken in etwa zu gleichen Anteilen die Pflege und Betreuung zu Hause ab: 35 Prozent der Pflegebedürftigen werden nur von ihren Angehörigen gepflegt und bei 34 Prozent gibt es einen Mix zwischen informeller und formeller, d.h. mobiler Unterstützung. Weitere 19 Prozent der Pflegegeldbezieher erfahren keine sowie 12 Prozent ausschließlich formelle Unterstützung.
D. Gründe für eine Pflegebedürftigkeit
Die nun folgende Tabelle zeigt die zehn meistgenannten Gründe, die zu einem Pflegegeldbezug führten.
Tab1: Die zehn häufigsten Gründe für eine Pflegebedürftigkeit (Mehrfachnennungen) | |
mehrere Erkrankungen/ altersbedingte Kräfteverfall | 42 Prozent |
Krankheit des Bewegungsapparates | 38 Prozent |
chronische Herz- und Kreislauferkrankung | 30 Prozent |
Demenz (z.B. Alzheimer Demenz) | 24 Prozent |
Krankheit des Nervensystems | 18 Prozent |
Unfall oder Sturz | 18 Prozent |
intellektuelle Behinderung | 10 Prozent |
Krebserkrankung | 9 Prozent |
angeborene Erkrankungen/Fehlbildungen | 7 Prozent |
Sehbehinderung bzw. Sehschwäche | 5 Prozent |
Zusätzlich zur Erhebung der Ursachen für die konkrete Pflegebedürftigkeit wurde auch das Auftreten von mentalen Problemen der zu Pflegenden abgefragt: Ungefähr jeder zweite pflegende Angehörige klagte darüber, dass bei seinem Schützling gelegentliche Gedächtnisprobleme sowie Verhaltensauffälligkeiten zu beobachten sind.
E. Motive für die Übernahme der Pflege
Nach den Motiven für die Übernahme der Pflege bzw. Betreuung (Mehrfachnennungen waren möglich) gefragt, gaben knapp drei Viertel der pflegenden Angehörigen an, dass dies für sie selbstverständlich war. Das am zweithäufigsten angeführte Motiv stellt eine starke emotionale Verbindung mit dem Pflegebedürftigen dar, gefolgt von einem Gefühl der Verpflichtung. Beide Motive werden von jeweils der Hälfte der pflegenden Angehörigen geteilt. Alle anderen abgefragten Motive wurden weitaus seltener vorgebracht.
Tab2: Die zehn häufigsten Gründe für die Übernahme der Pflege bzw. Betreuung durch die Angehörigen (Mehrfachnennungen) | |
war selbstverständlich | 74 Prozent |
starke emotionale Verbindung | 55 Prozent |
fühlte mich verpflichtet | 50 Prozent |
keine andere Möglichkeit | 17 Prozent |
zu hohe Kosten für eine professionelle Pflege/Betreuung | 17 Prozent |
religiöse Überzeugung | 10 Prozent |
keine bewusste Entscheidung | 8 Prozent |
sonstige Gründe | 8 Prozent |
weil er/sie zur Familie gehört | 7 Prozent |
bot finanzielle Vorteile | 2 Prozent |
F. Belastungen durch die Pflege
Im Rahmen der schriftlichen Befragung unter den pflegenden Angehörigen wurde auch nach den empfundenen Belastungen gefragt.
Die nun folgende Abbildung zeigt, dass psychische bzw. zeitliche Belastungen im Vordergrund stehen. Die generelle Einschätzung der durch eine Pflege bzw. Betreuung hervorgerufenen Belastung insgesamt ergab, dass sich 48 Prozent der pflegenden Angehörigen stark belastet fühlen, indem sie auf einer fünfteiligen Belastungsskala die Noten 1 oder 2 vergaben. Dabei lässt sich eine deutliche Zunahme des Belastungsgefühls in drei Abstufungen mit den Pflegegeldstufen 1 und 2 (niedrig), über die Pflegegeldstufen 3 – 5 (mittel), bis hin zu den Pflegegeldstufen 6 – 7 (hoch) beobachten.
Tab3: Starke Belastungen ( Vergabe der Noten 1 oder 2) aufgrund der Pflege und Betreuung | |
Belastung insgesamt | 48 Prozent |
Bereiche: | |
psychische Belastung | 56 Prozent |
zeitliche Belastung | 54 Prozent |
Stress | 49 Prozent |
körperliche Belastung | 38 Prozent |
finanzielle Belastung | 29 Prozent |
G. Negative Aspekte bei einer Pflege
Im Zuge dieser Befragung wurden auch einige Aussagen zur Bewertung vorgegeben, die die Bandbreite negativer Aspekte bei der Angehörigenpflege und -betreuung zum Ausdruck bringen.
Die Befragten machen sich häufig Sorgen, wie es weiter gehen soll. Diesem Item wurde von 56 Prozent voll bzw. teilweise zugestimmt. 40 Prozent der Befragten haben manchmal das Gefühl, dass ihnen alles zu viel wird, 35 Prozent fühlen sich manchmal alleine gelassen. Bei jeweils rund 30 Prozent leiden die Beziehung und der Kontakt zum nahestehenden Pflegebedürftigen. Dass sie sich manchmal ausgenützt fühlen, gaben 17 Prozent der Befragten an. Rund 30 Prozent der Befragten führten auch an, dass ihre eigene Gesundheit wegen der Pflege und Betreuung Schaden nehme.
H. Positive Aspekte bei einer Pflege
Eine eigene Fragenbatterie widmete sich möglichen positiven Aspekten bei der Pflege und Betreuung. Eine durch Pflege und Betreuung hervorgerufene intensive Beziehung führte die Liste der positiven Aspekte an. 78 Prozent der Befragten meinten, dies trifft voll bzw. teilweise zu. 63 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass sie durch die Pflege und Betreuung „etwas zurückgeben“.
Ebenfalls sehr häufig fühlen sich die pflegenden Angehörigen „gebraucht“ (61 Prozent). Des Weiteren, aber nicht von der Mehrzahl der Befragten, werden noch „positive soziale Betätigung“ und „persönliche Weiterentwicklung“ angeführt.
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