Der Staat greift nur dann ein, wenn die Familie die Erfordernisse und Bedürfnisse ihrer zu pflegenden Angehörigen nicht mehr erfüllen kann. D.h. die Verantwortung für die Organisation und Pflege der Alten liegt letztlich bei den Familienangehörigen. Das französische Pflegesystem baut zu 90 Prozent auf Sachleistungen auf. Geldleistungen spielen nur eine geringe Rolle.
Allerdings hat sich in den letzten Jahren diese Einstellung insofern etwas gewandelt, da das Pflegesystem stärker in die öffentliche Gesundheits- und Pflegepolitik integriert wurde.
Das französische Pflegesystem wurde auf drei Ebenen verankert:
(1) Da gibt es einmal die nationale Ebene. Diese trägt Sorge für die passenden Pflegegesetze, legt den Organisationsrahmen des Systems fest sowie definiert die grundlegenden Richtlinien, die dann anschließend auf der Ebene der Departements umgesetzt werden.
(2) Frankreich ist mit seinen 96 Departements ein dezentraler Einheitsstaat. Die einzelnen Departements sind für die Verteilung finanzieller Hilfeleistungen, für die Organisation des Angebotes an Dienstleistungen im Rahmen der ambulanten und stationären Pflege, für die Koordinierung der Altenpflege u.a.m. zuständig.
(3) Auf regionaler Ebene sind dann die lokalen Gesundheitsagenturen (Agences Régionales Santé – ARS) mit dem medizinischen Bereich der Pflege, mit der Planung des medizinischen und sozialen Angebotes für die zu Pflegenden sowie der Zulassung zur ambulanten oder stationären Pflege betraut.
Ob überhaupt ein Pflegebedarf – und vor allem welcher – vorliegt, wird mittels eines eigenen Assessmentinstruments (AGGIR) bestimmt.
Das französische Pflegesystem kennt sechs Einstufungen mit fünf Pflegestufen, wobei GIR 1 für die schwerste Form und GIR 5 für sehr eine geringe Pflegebedürftigkeit stehen.
GIR1 bis GIR4 führen zu einem Anspruch – vor allem in Sachleistungen-, der von 1.719,93 Euro für GIR 1 bis zu 665,60 Euro für GIR 4 reicht (2018).Für die leichteste Stufe der Pflegebedürftigkeit, GIR 5, gibt es keine Unterstützung.
Die Pflege i.e. S. liegt im Verantwortungsbereich der sozialen Krankenversicherung.
Diese zeichnet für die Finanzierung sämtlicher Leistungen der Pflege – sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich – verantwortlich.
Ähnlich wie in Österreich ist auch in Frankreich ein berufsständisches Pflichtversicherungssystem etabliert, das die gesamte Bevölkerung abdeckt. Die soziale Krankenversicherung finanziert dabei nicht nur die Gesundheits-, sondern auch die Pflegeleistungen i.e.S. im Bereich der Alten- und Behindertenpflege, einschließlich die Pflegeabteilungen in Krankenhäusern und ambulanter Pflege.
Für die Pflege als solche sind keine Zuzahlungen durch die zu Pflegenden erforderlich. Für die Unterbringungskosten müssen die Betroffenen selbst aufkommen. Die Betreuungskosten werden – je nach Einkommenssituation und erforderlichem Bedarf verschieden – über die öffentliche Hand sowie aus privaten Mitteln finanziert. Diese privaten Zuzahlungen können dann oftmals bis einem Viertel der gesamten Betreuungskosten liegen, wobei bei einem monatlichen Einkommen von € 800,– eine private Zuzahlung entfällt. Die privaten Zuzahlungen im ambulanten Bereich für die Betreuungsleistungen belaufen sich im Schnitt auf 94,– Euro pro Monat.
Private Zuzahlungen für stationäre Aufenthalte können aber bis auf € 1.850,– monatlich gesteigert werden, vor allem für Unterbringung und Verpflegung. Die Höhe der jeweiligen Zuzahlung ist allerdings einkommensabhängig.
Im französischen Gesundheitswesen sind private Zuzahlungen üblich. Daher sind private Versicherungen, die diese privaten Zuzahlungen abfangen, weit verbreitet. So hatten bereits im Jahr 2012 18 Prozent der über 40-Jährigen eine private Pflegeversicherung abgeschlossen, ein weit höherer Wert als in anderen vergleichbaren Ländern.
Im Jahr 2015 wurden 1,7 Prozent des nationalen BIP für das französische Pflegesystem aufgewandt und ist somit mit dem OECD-Durchschnitt von 1,7 Prozent vergleichbar. Dabei entfallen 1,2 Prozent auf Leistungen der Pflege i.e.S., und 0,6 Prozent auf Betreuungsleistungen.
In der letzten Dekade wurden keine grundlegenden Reformen hinsichtlich einer nachhaltigen Finanzierung des Pflegesystems durchgeführt oder auch geplant.
Hervorzuheben ist allerdings das Gesetz über die Anpassung der Gesellschaft an die Alterung aus dem Jahr 2015 (Loi sur l´Adaption de la Société au Viellissement).
Laut einer Studie des nationalen Instituts für Statistik (INSEE) waren 2013 18 Prozent der französischen Bevölkerung über 65 Jahre alt, im Jahr 2040 werden es 26 Prozent sein.
Dieses Gesetz basiert auf drei Säulen:
(1) Prävention – vor allem auf lokaler Ebene – soll ein gesamtgesellschaftliches Anliegen werden. Dazu zählt, dass der älteren Generation auch mit einem niedrigen Einkommen der Zugang zu neuen Technologien ermöglicht werden soll. Des Weiteren die Förderung physischer Aktivitäten und einer gesunden Ernährung.
(2) Die Alterung der Gesellschaft muss bei allen öffentlichen Planungen berücksichtigt werden. Die Wohnbaupolitik muss darauf ausgerichtet werden, dass ältere Menschen alleine leben können. Die Städtepolitik muss das Alter auch bei der Errichtung der Infrastruktur berücksichtigen.
(3) Verbesserung der Pflege und der Begleitung beim Verlust der Selbstständigkeit. Wichtigste Maßnahme dieses Gesetzes ist die Neubewertung, ab wann eine stationäre Pflege ermöglicht bzw. erforderlich wird. Ein weiteres gewichtiges Argument liegt im Recht auf einen Erholungsurlaub für pflegende Angehörige sowie eine Reform der Pflegefreistellung. Ebenfalls ist die Verbesserung des Zuganges zu Informationen für ältere Personen und deren pflegenden Angehörige vorgesehen. Beispielsweise furch die Installation eines Internetportals, das die Angebote der verschiedenen Akteure zusammenführt. Nicht zuletzt sieht das Gesetz Maßnahmen vor, um die Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Beruf zu erleichtern. Bei einer sogenannten Pflegefreistellung kann eine privatrechtlich beschäftigte Person die berufliche Tätigkeit für drei Monate unterbrechen. Die unbezahlte Freistellung wird mit einem nicht sehr hohen Taggeld durch die öffentliche Hand vergütet.
Die Anzahl der pflegenden Angehörigen (Ehegatten, Kinder, Verwandte und Freunde) belief sich im Jahr 2011 auf 4,3 Millionen Euro Menschen. 800.000 pflegende Angehörige nahmen die Leistungsangebote der APA in Anspruch. 62 Prozent waren Frauen.
Zudem können auch Dienste für die häusliche Pflege angefordert werden: Putzen der Wohnung, Wäschereinigung sowie Hilfe beim Einkaufen, bei der Zubereitung von Speisen und Leistungen der Grundpflege (Hilfe beim Aufstehen bzw. Zu-Bett-Gehen, Körperpflege usw.). Einen Teil der Kosten übernimmt das Department durch die APA, insofern die zu Pflegenden in die Pflegestufen GIR 1 bis 4 eingestuft wurden.
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