Angehörigenpflege in Deutschland

Die Berechnungen über die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland, wobei Pflegebedürftigkeit anders als in Frankreich nicht an das Alter gebunden ist, fußen auf der Anzahl der Menschen, die durch ambulante oder stationäre Pflegeinrichtungen versorgt werden bzw. Pflegegeld empfangen. Dieser Definition zufolge gab es 2015 in Deutschland 2,9 Millionen Pflegebedürftige. Dies entspricht in etwa vier Prozent der Gesamtbevölkerung.

Ungefähr zwei Drittel der Pflegefälle werden zu Hause betreut, der Rest in Pflegeheimen. Auffällig dabei ist, dass fast die Hälfte der Pflegebedürftigen zu Hause nur durch ihre Angehörigen versorgt wird.

Die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wird aufgrund der Überalterung der Gesellschaft weiter ansteigen: Bis zum Jahr 2060 wird sich der Anteil der über 80-Jährigen von fünf auf zwölf Prozent mehr als verdoppeln. Steigende Lebenserwartung und der Baby-Boom der Sechziger Jahre bieten sich als Erklärung hierfür an.

  1. Die Pflegeversicherung in Deutschland

Die soziale Pflegeversicherung wurde 1995 mit dem Pflegeversicherungsgesetz eingeführt. Sie wird überwiegend durch Beiträge aus Arbeitsentgelten und Renten finanziert. Ihre Träger sind die 113 Pflegekassen. Ihr Beitragssatz beträgt bundesweit 2,55 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen. Für Kinderlose gilt ein etwas höherer Beitragssatz.

Bei der Pflegeversicherung handelt es sich um keine Vollversicherung. Die Kosten für die Inanspruchnahme von Leistungen der Pflege i. e. S. und Betreuung werden nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag übernommen.

B. Die für die Pflege zuständigen Akteure

Der Bundesebene obliegen alle arbeitsrechtlichen Aspekte – vor allem im Zusammenhang mit den Pflegekräften in Arbeit und Ausbildung. Die Bundesländer als solche sind dann mit der Gesetzgebung im Rahmen der Pflege betraut. Sie legen auch die Ausgestaltung der Pflege als solche fest. Beispielsweise bei der Entwicklung neuer Wohnformen für Pflegebedürftige.

Die Pflegekassen fungieren als die zentralen Akteure in der Pflegeversicherung: sie offerieren eine bedarfsgerechte und eine auf einem allgemeinen medizinischen Standard basierende Pflege, die eine entsprechende Versorgung der Pflegebedürftigen gewährleistet. Sie schließen Verträge mit den für die konkrete Pflege zuständigen ambulanten oder stationären Einrichtungen und Unternehmen ab, in denen dann Art, Inhalt und Umfang der Pflegeleistungen festgelegt werden. Auch Qualitätsprüfungen jeglicher Art obliegen den Pflegekassen.

C. Stationäre Betreuung

Grundsätzlich kann zwischen Dauer-, Kurzzeit-, Tages- oder Nachtpflege unterschieden werden.

Dauerpflege oder auch voll stationäre Pflege:

Wenn eine Person nicht mehr in der Lage ist, alleine zu leben, dann kann eine vollstationäre Einrichtung mit einer durchgehenden Betreuung und Vollversorgung angeboten werden. Diese umfasst dann sowohl pflegerische, soziale als auch hauswirtschaftliche Dienstleistungen.

Kurzzeitpflege:

Bei der Kurzzeitpflege halten sich die Betroffenen für eine bestimmte Zeit in einer stationären Einrichtung auf: z.B. Akutpflege, Nachsorge nach einer Behandlung oder auch, wenn die Tages oder Nachtpflege nicht ausreicht, weil die Angehörigen eine Auszeit von ihrer Pflege beanspruchen.

Tages- und Nachtpflege:

Wenn eine Ergänzung zur häuslichen Pflege nötig wird, dann wird oftmals zur Tages- oder Nachtpflege zurückgegriffen. Die Betroffenen kehren dann entweder am Abend oder auch am Morgen wieder nach Hause zurück. Diese Option ist vor allem für Patienten mit Demenz interessant.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass von den insgesamt 857.302 im Jahr 2015 stationär versorgten Pflegebedürftigen 759.204 Personen (88 Prozent) eine Dauerpflege, 24.212 Personen (drei Prozent) eine Kurzzeitpflege, 73.844 Personen (neun Prozent) eine Tagespflege und nur 42 Personen eine Nachtpflege in Anspruch nahmen.

Bei der Dauerpflege betrug die Verweildauer 2014 in den deutschen Pflegeheimen durchschnittlich 27 Monate – also etwas mehr als zwei Jahre.   

D. Finanzierung der Pflegeleistungen

Es kann zwischen drei  Arten von Kosten in Pflegeheimen unterschieden werden:

(1) Kosten für die Unterkunft und Verpflegung

Unterkunft und Verpflegung müssen grundsätzlich privat gezahlt werden. Entweder von dem Pflegebedürftigen direkt oder die zu ihrem Unterhalt verpflichteten Angehörigen. Bei finanziellen Schwierigkeiten kann zudem das Sozialamt einspringen.

(2) Kosten für die Pflegeleistungen

Je nach Pflegegrad verschieden übernehmen die Pflegekassen die Kosten für die Pflege. Es gibt fünf Pflegestufen,  die von 770 Euro/Monat bis zu 2.005 Euro/Monat reichen. Bis zu diesem Betrag in der jeweiligen Pflegestufe werden die Pflegekosten von den Pflegekassen übernommen. Darüber hinausgehende Kosten müssen dann privat aufgebracht werden. Es verbleibt somit eine finanzielle Eigenbelastung.

 (3) Investitionskosten

Wenn ein Pflegebedürftiger in einem nicht öffentlich geförderten Pflegeheim untergebracht wurde, dann kann er oder seine Angehörigen nochmals für Investitionskosten (Aufwendung beim Kauf des Grundstückes, Miete oder Pacht) zur Kasse gebeten werden.

Einer SPIEGEL-Ausgabe (Nr. 19/ 6. 5. 2023) war zu entnehmen: „ Das in dem Konstrukt einiges schiefläuft, zeigen die traurigen Rekorde des Jahres 2023: Noch nie mussten Bewohnerinnen und Bewohner so viel aus dem eigenen Portemonnaie für ihren Heimplatz zahlen wie heute. Bundesweit sind es im Schnitt mehr als 2.400,– EUR pro Monat. Inzwischen ist jeder dritte Pflegebedürftige auf die Stütze angewiesen.“

E. Ambulante Leistungen

Um weiterhin zu Hause leben zu können, greifen ältere Menschen auf ambulante Serviceangebote zurück.

Diese bieten hauswirtschaftliche Tätigkeiten sowie eine Grundpflege und medizinische Behandlung an. Auch wenn noch kein Pflegebedarf vorliegt, können Leistungen wie Einkaufshilfen, Essen auf Rädern sowie Hauswirtschaftshilfen in Anspruch genommen werden.

Bei Pflegebedarf wird auf ambulante Pflegedienste zurückgegriffen. Diese reichen von körperbezogenen Pflegemaßnahmen bis hin zur medizinischen Behandlungspflege wie beispielsweise Medikamentenabgabe oder auch einfache Wundbehandlung.

Die anfallenden Kosten werden von den Pflegekassen bis zur jeweiligen Höhe der Ansprüche aus den einzelnen Pflegestufen übernommen. Darüber hinausgehende Kosten müssen dann privat berappt werden. Es sei denn, dass das Sozialamt unterstützend eingreift.

F.  Pflegende Angehörige

Pflegende Angehörige sind auch in Deutschland die tragende Säule des Pflegesystems. Nach deutschem Recht sind pflegende Angehörige Personen, die nicht erwerbstätig einen Pflegebedürftigen in häuslicher Umgebung pflegen. Ein eigenständiger Anspruch auf Geldleistungen ist aber damit nicht verbunden, wenn man von einem zehntägigen Pflegeunterstützungsgeld, einer Lohnersatzzahlung im Rahmen  einer kurzzeitigen Pflegezeit oder Beitragszahlungen zur Rentenversicherung absieht.

Die Deutsche Allgemeine Krankenkasse (DAK) veröffentlichte im Jahr 2015 die Ergebnisse einer bundesweiten Befragung mit dem Titel „Wie pflegt Deutschland?“.

Darin wurde sichtbar gemacht, dass es sich bei den pflegenden Angehörigen zumeist um Frauen handelt.

Es wurde auch empirisch festgehalten, dass viele Angehörigen ihre Erwerbstätigkeit ruhen ließen oder zumindest verringerten. Nur mehr ein Fünftel der potenziell Erwerbstätigen ging einer Vollbeschäftigung nach.

Das „ideale“ Alter der Betreuer – und zwar zu 80 Prozent – lag zwischen 45 und 70 Jahren. Fast jede/r zweite Befragte kümmerte sich um einen Elternteil, elf Prozent um den Partner. Auffallend hierbei ist auch, dass das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit bereits sehr weit fortgeschritten war: 36 Prozent der Befragten pflegten einen Angehörigen mit Demenz. 

Die Betreuer ihrerseits werden oft als direkte Folge ihrer Pflege und Betreuung selber krank. 55 Prozent der Befragten gaben nämlich an, von psychischen Leiden betroffen zu sein. Bei einem Fünftel ist dies sogar zu einer Depression ausgewachsen.

Auch körperliche Leiden sind nicht unbekannt. 16 Prozent der Befragten klagen über chronische Rückenschmerzen,

In nackten Zahlen nicht fassbar sind aber die massiven Einschränkungen im privaten Leben der pflegenden Angehörigen: Abnahme außerhäuslicher Aktivitäten, Verlust von Sozialkontakten, keine Erholungsphasen und kein Abschalten, keine Urluabsreisen u.a.m..   

G.  Pflegegeld für die zu Pflegenden

Pflegebedürftige, die zu Hauses von Angehörigen, Bekannten oder Freunden gepflegt werden, haben Anspruch auf Pflegegeld – unabhängig vom Einkommen der Pflegebedürftigen.

Im deutschen Pflegesystem existieren sowohl Geld- als auch Sachleistungen. Beide können wahlweise oder auch in Kombination zueinander in Anspruch genommen werden.

Das monatliche Pflegegeld richtet sich nach dem jeweiligen Pflegegrad.

 Tabelle zum Pflegegeld!   

H.  Mittelaufbringung

Im deutschen Pflegesystem lag das Ausgabenniveau im Jahr 2015 bei 1,3 Prozent des BIP und somit unter dem OECD-Durchschnitt.

Die Mittelaufbringung erfolgt fast ausschließlich durch die Pflegeversicherung – und zwar zu 70 Prozent. Des Weiteren werden ungefähr 10 Prozent über nationale Steuern und der verbleibende Rest von 20 Prozent privat finanziert.

Die Beitragssätze auf die Erwerbseinkommen für die Pflegeversicherung, die jeweils zur Hälfte von den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern getragen werden, haben sich seit ihrer Einführung 1995 von einem Prozent auf 3,05 Prozent deutlich erhöht. Zum 1. Juli 2023 soll dann der Pflegebeitragssatz weiter auf 3,4 Prozent erhöht werden.

Dadurch ist die Pflegeversicherung seit Jahren chronisch unterfinanziert. Dies ist aber zum Teil politisch so gewollt. Es soll nur ein Teil Pflegekosten abgedeckt werden. Die Senioren sollen selbst einen maßgeblichen Beitrag leisten.

  Monatliches Pflegegeld nach den einzelnen Pflegstufen (2024)  
Pflegestufe 1Keinen Anspruch, aber halbjährlich einen Beratungsbesuch durch einen Pflegedienst
Pflegestufe 2332, — EUR
Pflegestufe 3573,– EUR
Pflegestufe 4765,– EUR
Pflegestufe 5947,– EUR

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