Altenpflege in Österreich in Zahlen

In Österreich wurden 2022 im Jahresdurchschnitt in etwa 470.000 anerkannte Pflegebedürftige gezählt, die ihre täglichen Aktivitäten nicht mehr alleine ausüben können und daher täglich mehr als zwei Stunden Hilfe benötigen.

Dies entspricht – bezogen auf die österreichische Wohnbevölkerung – einem Anteil von 5,2 Prozent. Es wird daher immer wieder bejubelt, dass Österreich Pflegeweltmeister sei, da nirgendwo mehr Menschen als in unserem Land eine finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand beziehen.  

Das österreichische Pflegewesen unterscheidet sich von seinem Gesundheitssystem dadurch, dass bei einem nachgewiesenen Bedarf keine persönlich konsumierbaren Sachleistungen angeboten werden, sondern ein Pflegegeld (PG), das dem Patienten ohne weitere Kontrolle zwölf Mal im Jahr ausbezahlt wird. Des Weiteren werden noch Zuschüsse an die Pflegeheime geleistet. Mitnahmeeffekte sind daher nicht auszuschließen.

  Tab1: Anzahl der Pflegegeldbezieher und Höhe des Pflegegeldes pro Monat nach den einzelnen Pflegestufen (2022) *)  
Pflege-stufe  Pflegebedarf in Stunden pro MonatAnzahl der BezieherMonatliches Pflegegeld
1Mehr als 65 Stunden (mehr als 2 Stunden täglich)131.154175,00 €
2Mehr als 95 Stunden (mehr als 3 Stunden täglich)100.179322,70 €
3Mehr als 120 Stunden (mehr als 4 Stunden täglich)88.240502,80 €
4Mehr als 160 Stunden (mehr als 5 Stunden täglich)68.461754,00 €
5180 Stunden, wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist (mehr als 6 Stunden täglich).  52.040  1.024,00 €
6180 Stunden, wenn zeitlich nicht koordinierbare Betreuungsmaßnahmen und diese regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen sind oder die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht erforderlich ist, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben ist (mehr als 6 Stunden täglich).               19.886            1.430,20 €
7180 Stunden, wenn keine zielgerichteten Bewegungen der vier Extremitäten mit funktionaler Umsetzung möglich sind oder ein gleich zu achtender Zustand vorliegt (mehr als 6 Stunden täglich).      8.982      1.879,50 €
  Insgesamt   468.942  Durchschnitt 532, 80 €  

*) Näheres über die aktuelle Höhe (2024) und Bezug des Pflegegeldes ist auf den jeweiligen Bundesländerseiten der Website unter der Rubrik „Pflegegeld beziehen“ zu finden.

Mit einer bloßen Geldleistung ist aber die Idee verbunden, keinesfalls die notwendigen Pflegeleistungen voll zu finanzieren. Sie kann nur als eine Art Anerkennungsbeitrag verstanden werden.

Dies wird schon dadurch deutlich, wenn man die zuerkannten Pflegegeldbeträge den Betreuungs- und Pflegestunden zu Marktpreisen durch die Angehörigen direkt oder den Pflegediensten gegenüberstellt!

In den beiden unteren Pflegestufen 1 und 2 reicht das Pflegegeld kaum, um den Pflege- und Betreuungsaufwand zu decken. Je höher aber die Pflegestufe, desto geringer ist der Eigenanteil. Vor allem bei den Pflegestufen 6 und 7 – so die die Ergebnisse einer Befragung – ist eine finanzielle Deckung des Aufwandes eher gegeben.  

Prof. Dr. Ernest G. Pichlbauer, der(!) österreichische Gesundheitsexperte, unterbreitete daher einen Vorschlag dazu: „Ein vernünftiges Konzept sollte genau anders herum sein – geringer Pflege- und Betreuungsbedarf sollten als Sachleistung voll finanziert werden.“

 In Österreich gibt es immer noch eine unsaubere Trennung zwischen der Pflege wie beispielsweise Einnahme von Medikamenten, Katheder-Pflege usw. einerseits und der Betreuung wie beispielsweise Essen auf Rädern, die von unterschiedlich qualifizierten Fachkräften ausgeübt werden, andererseits.

Während beim Gesundheitswesen das Sachleistungsprinzip mit geringen Selbstbehalten waltet, zeichnet sich das Pflegesystem durch relativ geringe Geldleistungen und hohen Selbstbehalten aus. Dadurch entstehen – zumindest zeitweise  – Anreize,  Pflegebedürftige in das Gesundheitssystem abzuschieben.

Laut Statistik Austria wurden 2016 bei mindestens 460.000 Personen über 65 Jahren –  dies entsprach 35 Prozent aller Spitalsaufnahmen mit einer Belagsdauer von weit über vier Millionen Spitalstagen – lediglich Rücken- oder Gelenksschmerzen, Dehydrierungen, Kreislaufschwächen oder kleinere Verletzungen diagnostiziert.

Solche Patienten bedürfen eigentlich nicht eines hoch spezialisierten Krankenhauses. Sie sind daher mit ein Grund für die im EU-Vergleich hohe Krankenhaushäufigkeit in Österreich.  

Krankenhausaufenthalte sind nämlich dadurch zu vermeiden, wenn man sich stärker der Prävention verschreibt!

Mit der Prävention ist es aber in unserem Land äußerst schlecht bestellt. Man gebraucht zwar gerne das Schlagwort  vom „gesunden Altern“, glaubt aber, dass sich dieses automatisch ergäbe. Daher ist auch niemand dafür zuständig!

Prävention im Alter zielt aber darauf ab, dass spezielle Maßnahmen und Angebote erstellt werden, wodurch der Lebenswillen, die Selbstständigkeit, die Mobilität, die sozialen Kontakte und  Aktivitäten der alten Menschen gefördert und verstärkt werden. Denn nur so kann die „Pflegebedürftigkeit“ nach hinten verschoben werden.

Die Idee ist also, die Gesundheitsversorgung altersfreundlich zu gestalten. Pof. Dr. Ernest G. Pichlbauer verweist in seinem 2018 erschienenen Bericht „Das österreichische Pflegesystem: Ein europäischer Sonderfall“ auf das Beispiel Dänemark.

Doch was machen die Dänen anders? Weil es nicht einfach ist, die Pflege vom Gesundheitswesen abzugrenzen, wurden das gesamte Pflegewesen, also sowohl die gesundheitsrelevanten als auch die instrumentellen Aktivitäten, ins Gesundheitssystem integriert und professionalisiert. In Dänemark bezieht man von der Einkaufshilfe bis zur Herztransplantation alles als Sachleistung.“ 

Das Ziel einer Pflegereform in Österreich – so Dr. Pichlbauer – muss sein, den Anteil der bei ihren Aktivitäten des täglichen Lebens stark eingeschränkten Über-65-Jährigen von 22 Prozent auf 15 Prozent zu senken. Dies wäre dann die Mitte zwischen unserem heutigen Wert und jenem in Dänemark.

Dr. Pichlbauer fügte aber auch hinzu, dass das dänische Pflegesystem fast doppelt so teuer wie das österreichische ist. Allerdings sind die Gesamtausgaben insgesamt – Langzeitpflege und Akutversorgung zusammen –  in Dänemark nicht höher als in Österreich.

Der österreichische Weg sieht aber gänzlich anders aus. Ein hochkomplexes Krankenhaussystem sorgt für die Akutversorgung und heilt die Auswirkungen des Alterungsprozesses. Und zwar erst dann, nachdem bestimmte Krankheiten wie Schlaganfälle, Herz-Operationen und Gelenksschäden aufgetreten sind. Ei-ne Rehabilitation danach gibt es aber wiederum nicht. Eine solche ist nur den aktiv Erwerbstätigen und vor der Pension dieser vorbehalten.

Laut OECD liegen in Österreich die Ausgaben für das Pflegewesen im Vergleich mit anderen europäischen Ländern mit 1,9 Prozent des BIP im Mittelfeld. In den skandinavischen Ländern, aber auch in den Niederlanden, wo die Politik dem Pflegewesen große Aufmerksamkeit schenkt, sind auch die Ausgaben deutlich höher. Die französischen Aufwände sind mit den österreichischen durchaus vergleichbar, die deutschen hingegen deutlich niedriger. Am knausrigsten zeigten sich mediterrane Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland. Vor allem in Griechenland wird die Altenpflege  – ohne irgendwelche erkennbare finanzielle Unterstützungen seitens der öffentlichen Hand – völlig den Angehörigen überantwortet.

Tab2: Öffentliche Ausgaben für Pflege in Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) – 2016
  
Land:In Prozent:
Niederlande3,5 %
Schweden3,2 %
Dänemark2,5 %
Belgien2,3 %
Finnland2,2 %
Österreich1,9 %
Frankreich1,7 %
Italien1,7 %
Vereinigtes Königreich1,5 %
Deutschland1,3 %
Irland1,3 %
Luxemburg1,3 %
Spanien0,9 %
Portugal0,5 %
Griechenland0,1 %

Österreich setzt  bei der Altenpflege so gut wie ausschließlich auf die Angehörigen. . Dieser Begriff ist aber sehr weit gefasst, er schließt nämlich auch die Pflege durch entfernte Verwandte und Nachbarn ein. Zu 90 Prozent sind es aber die nahen Angehörigen (Kinder oder Lebenspartner) und bei der Behindertenpflege sind es vor allem die Eltern, die hierbei zum Handkuss kommen.

Anders als in Frankreich wird in Österreich bei der Pflegebedürftigkeit nicht nach dem Alter unterschieden. D.h. ungefähr ein Fünftel der Pflegebedürftigen in unserem Land sind unter 60 Jahren alt. Deren Pflegebedürftigkeit rührt von einem Unfall oder einer angeborenen Behinderung her.  

Das Ausmaß der Hauspflege wird durch die Pflegstufe, in der sich die zu pflegende Person befindet, bestimmt.

  Tab3: Pflegegeld beziehende Personen nach ihrer Pflegestufe sowie Betreuungsart zum  Stichtag: 30.9. 2017 (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger)  
Pflegstufe 1Pflege: Anzahl ZuhausePflege: Anzahl stationärPflege: Insgesamt  Anteil der zu Hause Gepflegten
Pflegestufe 1119.2621.775121.03799 %
Pflegestufe 299.9225.659105.58195 %
Pflegestufe 371.8009.88181.68188 %
Pflegestufe 451.66813.30064.96880 %
Pflegestufe 532.67016.73249.40266 %
Pflegestufe 612.2837.18719.47063 %
Pflegestufe 76.2542.9089.16268 %
     
Insgesamt393.85957.442451.30187 %

Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger wurden zum Stichtag 30. 9. 2017 87 Prozent der 451.301 Pflegegeldbezieher zu Hause gepflegt.

Praktisch alle in den Pflegestufen 1 und 2, acht bzw. neun von zehn in den beiden Pflegstufen 3 und 4 und nicht viel mehr als sechs von zehn in den höheren Pflegestufen werden zu Hause gepflegt.

Mit anderen Worten: Selbst in der Pflegstufe 4, wo bereits eine Aufnahme mit voller öffentlicher finanzieller Beteiligung möglich wäre, wird eine Zuhause-Pflege in acht von zehn Fällen bevorzugt.

Erst wenn in den Pflegstufen 5 bis 7 der Pflegebedarf enorm ansteigt, erhöht sich auch der Anteil einer stationären Einbindung.  

Dass die vielen Pflegebedürftigen (bis zu 80 Prozent), die auch nach dem Erreichen der Pflegstufe 4 immer noch Zuhause gepflegt und betreut werden, obwohl eine Überstellung in ein Pflegheim durchaus möglich wäre, hat neben einer emotionalen Verbundenheit mit den Pflegebedürftigen sicherlich auch handfeste finanzielle Gründe: Wegfall des Pflegegeldes und vor allem der Pension des Pflegebedürftigen.

In Griechenland leben oft drei Generationen von der einen(!) Pension des Großvaters: die Großeltern als solche, der arbeitslose Sohn und die Enkeln in Ausbildung. Aber ist es in unserem Land so viel anders?

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